Wenn man Segler fragt, welches das schönste Segelrevier in Deutschland ist, dann ist die Antwort sehr oft Warnemünde, und das zu Recht. Stabile Winde, offene Ostsee und keine übertriebenen Buchten, die Einfluss auf Wind und Strom haben, wie an vielen anderen Ostseerevieren. Dazu eine mögliche wunderschöne langgezogene Welle gepaart mit dem besonderen Flair, das Warnemünde und insbesondere die Mittelmole schon immer versprüht haben. Genau aus diesen Gründen ist die Warnemünder Woche jedes Jahr für Martin und mich ein Highlight, unabhängig davon wie viele Boote am Start sind.

Für die Piratenklasse gibt es aktuell nur 4 Seeregatten (YES, Föhr, Strande und W‘Woche) und wer weiß, ob wir als Piratenklasse in Zukunft bei der YES und bei der W’Woche noch gewünscht sind, wenn die Meldezahlen so schlecht bleiben. Leider sind Großveranstaltungen wie die YES und die W’Woche sehr teuer geworden und wenn sich preislich nicht etwas ändert, dann wird es einen Großteil der nationalen Klassen treffen, die nicht mehr Teil dieser Events sein werden. Umso glücklicher waren wir, dass es dieses Jahr immerhin 11 Piraten nach Warnemünde geschafft haben und unsere Bootsklasse somit nicht abgesagt werden musste. Wenn die Sportschule und der ganze Hafenbereich in 1-2 Jahren fertig sind, dann wird es vielleicht den einen oder anderen wieder nach Warnemünde locken.

Aber jetzt zu der Regatta selber. Insgesamt waren 7 Rennen ausgeschrieben an drei Tagen und die Bedingungen sollten sich von ihrer besten Seite zeigen. Wir hatten Wind, nicht zu wenig nicht zu viel, es gab Welle und Strom und alles in Maßen, sodass alle 7 Rennen fair ausgesegelt werden konnten. Am ersten Tag schafften wir die geplanten 2 Rennen bei Wind aus NW mit ca. 5-12 Knoten, abnehmend im Tagesverlauf. Obwohl wir nur 11 Boote am Start waren, fühlte es sich an wie eine kleine Meisterschaft mit sehr vielen sehr guten Seglern. Wir überstanden den ersten Tag sehr gut mit den Platzierungen zwei und drei und waren somit punktgleich mit Frieder/Julius.

Der zweite Tag brachte ablandigen Südwind bei 10-18 Knoten, was in Warnemünde durchaus ein wenig ruppig sein kann. 3 Rennen waren geplant und auch diese konnten problemlos durchgeführt werden. Vielen Dank hier an unseren Wettfahrtleiter Carsten Jansen, der mit weiser Voraussicht uns bereits um 10:00 Uhr starten ließ. Mit dem Abschluss der dritten Tageswettfahrt war der Wind nämlich weg und setzte als Thermik am frühen Abend wieder aus Nordost ein. Das windbedingte Zeitfenster wurde somit optimal genutzt. An diesem Tag lieferten wir uns gefühlt die ganze Zeit ein direktes Duell mit Frieder/Julius. Das erste Rennen konnten wir gewinnen und im zweiten Rennen gab es wieder einen einnehmenden Zweikampf, sodass wir zu spät realisierten, dass wir Ines/Harpo durchschlüpfen ließen und sie somit die Wettfahrt gewannen. Auf dem letzten Vorwinder kam es zu einer Protestsituation, die im Nachgang für beide Teams sehr lehrreich war. Frieder/Julius lagen auf dem letzten Vorwinder knapp vor uns und wir entschieden uns sie in Luv anzugreifen. Durch ein schnelles Anluven konnten wir über sie rüberfahren und fuhren parallel ein ganzes Stück weiter. Aus unserer Sicht änderte Frieder plötzlich seinen Kurs, ohne uns Zeit zu geben, zu reagieren bzw. auszuweichen und Frieder rief Protest. Aus der Sicht von Frieder hatte ich meinen Kurs nach Lee geändert, was als Luvschiff natürlich nicht erlaubt ist. Zu einer Berührung kam es nicht. Durch unseren Angriff konnten wir als 2ter die Wettfahrt beenden und Frieder und ich klärten gleich auf dem Wasser, dass wir diese Situation durch die Jury entscheiden lassen wollen (mit einem Lächeln bei beiden von uns ☺️). Bevor es zu einer Protestverhandlung kommt, gibt es bei internationalen Events die so genannte Arbitration, wo ein Jurymitglied sich von uns beiden die Situation erläutern lässt und dann seine Einschätzung abgibt, wie die Jury in einer Protestverhandlung wahrscheinlich entscheiden würde. Basierend darauf kann man dann entweder in die richtige Protestverhandlung gehen oder aber man nimmt eine 30% Prozentstrafe an.

In dieser Arbitration habe ich was Neues gelernt und ich glaube Frieder auch: „Balance of probabilities“ (Übersetzt laut Jury so viel wie: was ist am wahrscheinlichsten passiert). Laut Jury ist es wahrscheinlicher, dass wir als Luvschiff den Kurs nach Lee geändert haben, aufgrund von Wind und Welle und es ist unwahrscheinlicher, dass das Leeschiff seinen Kurs nach Luv ändert. Aus dem Grund hat der ungarische Schiedsrichter gemeint, dass es wahrscheinlicher ist, dass Martin und ich in einer richtigen Protestverhandlung disqualifiziert werden und nicht Frieder/Julius. Aus dem Grund haben wir die 30% Prozentstrafe angenommen. Früher wurden Proteste bei Aussage gegen Aussage ohne Zeugen, wenn man in der Protestverhandlung keine Fehler gemacht hat, abgewiesen. Fazit ist, dass man als Luvschiff deutlich aufmerksamer sein muss, wenn man keinen Protest riskieren will und dass ein Protest auch ohne Zeugen aufgrund der „Balance of Probabilities“ verloren/gewonnen werden kann. Mit einem Handschlag und einem Lachen war die Situation für uns geklärt. Am Abend gab es dann ein reichhaltiges Buffet zusammen mit den Korsaren und den 505ern.

Der letzte Tag brachte die typischen Warnemünde Traumbedingungen mit 12-15 Knoten aus Nordwest, ca. 10m Strom aus Windrichtung und einer schönen Welle. Hier zeigten Frieder und Julius ihre Klasse und konnten ungefährdet beide Tageswettfahrten gewinnen und somit verdient auch die Warnmünder Woche 2022. Auch Ines und Harpo zeigten sich erstarkt und wurden in beiden Rennen jeweils Zweiter und somit auch insgesamt Zweiter, knapp vor Martin und mir.

Rund um war es eine schöne Veranstaltung, wo wir als Piratenklassen die große Bühne in Zukunft besser nutzen sollten, um auch den anderen nationalen Klassen zu zeigen, wie teilnehmerstark wir eigentlich sind (siehe IDM). Wenn ihr also Bock auf Sommer, Sonne, Welle und Ostsee habt, dann kommt bitte nächstes Jahr nach Warnemünde. Wir werden alles geben, damit der Pirat weiterhin bei der Warnemünder Woche und auch bei der YES starten kann. Nur durch bessere Meldezahlen wird das möglich sein.

Liebe Grüße
Martin & Andreas
GER 4490