Wer hätte noch vor ein paar Wochen gedacht, dass die Europameisterschaft stattfinden kann – mit den türkischen Teams und mit unglaublichen 12 Wettfahrten an 4 Tagen, wo bis auf eine Startkreuz die Bedingungen so beindruckend stabil und fair waren, dass wirklich die besten Piraten Teams gekürt werden konnten.

Für Martin und mich war die Euro Höhepunkt und Urlaub zugleich. Wir machten uns schon ein paar Tage vorher auf den Weg nach Brunnen und verbrachten die ersten Tage in einer Berghütte auf 1.800m und absolvierten dort unsere ersten Höhenmeter ständig begleitet von dem kontinuierlichen Läuten der Kuhglocken, und zwar auch nachts, wenn man schlafen will. Da nach und nach weitere Teams in der Schweiz aufschlugen, verabredeten wir uns mit Svenja, Butze, Julius, Marcel und Rahel zu der Gratwanderung in Stoos, einem faszinierenden Wanderweg entlang eines steilabfallenden Gebirgskamms. Wir waren insgesamt über 6h unterwegs und absolvierten >1.000 Höhenmeter und wer weiß vielleicht hat uns alle dieses Höhentraining in den darauffolgenden Tagen geholfen, die entsprechende seglerische Leistung abzurufen. Wir hatten diese Wanderung extra so geplant, dass wir noch den Samstag, den Sonntag und den Montag zur freien Verfügung hatten, um einfach mal nichts zu machen, die 30 Grad Lufttemperatur und das 16 Grad kalte Wasser zu genießen, bevor es ernst wurde. Zwischendurch stand noch die Vermessung an, die zügig und mit vorgegebenen Zeitfenstern pro Team durchgezogen wurde und unser Wunsch für die nächste Euro wäre es, dass wir auch wieder die Boote wiegen und die Segel mal richtig vermessen lassen – schaden kann es nicht. Bei der Vermessung wurde dann auch gelost, wer sein Schiff an Land stehen lassen darf und wer sein Schiff die Woche über ins Wasser bringen muss. Auf Grund des begrenzten Platzangebotes in der Marina Fallenbach mussten ca. die Hälfte der Boote ins Wasser. Was am Anfang noch für Unmut sorgte, wandelte sich im Laufe der Tage zu Gleichgültigkeit und „so schlimm ist ja eigentlich nicht“. Die Anmeldung ging superschnell und zum Practice Race versammelten sich, bei strömendem Regen, doch noch so ca. 10-15 Boote, um einen ersten Eindruck von den Robotertonnen und den treibenden Starttonnen zu bekommen.

Der Urner See gilt als windsicheres Revier und auch wenn das der ein oder andere im Vorhinein nicht geglaubt hat, so wurden wir doch mit Wind und einer Traumkulisse belohnt. Für die ersten beiden Segeltage sah es laut Windfinder und Co. allerdings nicht besonders gut aus, aber im Endeffekt hatten wir, während der ersten drei Rennen am ersten Tag, stabile 5-8 Knoten aus Nordwest und auf dem Regattagebiet vor dem kleinen Ort Sisikon wurde ein einfacher Up-and-Down mit Ablauftonne und Halbwindziel (fast immer zu spitz zum Spi fahren) ausgelegt. Die ersten drei Rennen waren eher untypisch im Vergleich zu den darauffolgenden Tagen, da es doch das eine oder andere Mal über Rechts ging, wo wir natürlich nicht waren 🙂 und wenn es über Rechts geht dann kann man sich sehr sicher sein, dass Anne und Michi ganz vorne mit dabei sind! Die beiden hatten dazu ein kleineres Tête-à-Tête mit den Robotertonnen, die bis auf diese eine Situation makellos funktioniert haben. Anne und Michi rundetet die Luvtonne nämlich als Erste und währenddessen fing die Luv- und die Ablauftonne an die Position zu tauschen und im Endeffekt fuhr die eigentliche Luvtonne als neue Ablauftonne parallel mit Anne und Michi mit, sodass sie nicht auf den Vorwindkurs abfallen konnten. Derjenige der die Tonnen digital steuerte hat aber anscheinend dann doch den Dreh rausbekommen und alle anderen Teams konnten die beiden Tonnen problemlos runden. Den ersten Tag überstanden wir ziemlich gut und lagen auf Platz 2, nur Frieder und Julius, die seit diesem Jahr gefühlt bei wenig Wind genauso gut geworden sind, wie sie bei viel Wind eh schon sind, lagen noch vor uns in der Gesamtwertung.

Am zweiten Wettfahrttag herrschten exakt die gleichen Bedingungen und wieder 3 schöne Rennen wurden durchgezogen und hier möchten wir ein Lob an den Wettfahrleiter aussprechen, der das zur Verfügung stehende Zeitfenster jeden Tag optimal genutzt hat und ich glaube man hätte keine Kreuz oder keinen Vorwind mehr geschafft, denn beim täglichen Hafenrace, dass mindestens genauso spannend und nervenaufreibend war wie die richtigen Rennen, schlief der Wind bis zum Hafen immer ein. Nach den ersten 6 Rennen zeichnete sich langsam ab, dass es wohl vier Teams geben wird, die die Medaillen unter sich ausmachen wollen – Frieder/Julius, Svenja/Butze, Donald/Phyllis und wir beide. Diese vier Teams haben am Ende übrigens 9 der 12 Wettfahrtsiege unter sich aufgeteilt.

Am Donnerstag dem 3. Segeltag und am Freitag dem letzten Segeltag hatten wir dann die angepriesene Thermikwetterlage mit 10-16 Knoten aus Nord die uns Champagner Segelbedingungen verschafften, wodurch es noch enger und schwieriger wurde, in die vorderen Platzierungen reinzufahren. Die vier bereits angesprochenen Teams setzten sich immer weiter ab und vor den letzten drei Rennen war klar, dass es jetzt endgültig um die Medaillen geht. Das Ziel von Martin und mir war es, um jeden Preis in den Top 3 zu bleiben, und dafür verzichteten wir im ersten Rennen des letzten Tages auf unseren geliebten Leestart und starten konservativer aus der Mitte. Im Nachhinein mussten wir aber feststellen, dass wir aus der Mitte starten nicht wirklich draufhaben und wir lieber um die Leeposition kämpfen. Vor dem letzten Rennen stand fest, dass Frieder und Julius Gold sicher haben und es zwischen Svenja/Butze und uns beiden um Silber und Bronze ging. Am Ende waren wir überglücklich den 3. Platz erreicht zu haben und hätten uns kein schöneres Podium vorstellen können mit den verdienten Europameistern Frieder und Julius und Svenja und Butze auf Platz 2. Viele enge und harte Kämpfe hatten wir absolviert, die immer extrem fair abliefen und wo jeder dem anderen nach dem Zieldurchgang der einzelnen Rennen gratulierte. So macht Segeln Spaß! Mit Peter und Peter und Daniel und Marie schafften es noch zwei weitere MV-Teams unter die ersten Sieben. Ganz starke Leistung.

Aber wir Senioren wurden auch immer wieder von der Jugend gefordert. Insbesondere Jonas und Claas zeigten mit drei Top-10 Platzierungen und einem 20. Gesamtplatz, dass sie vorne angreifen können. Auch Paula und Tim, sowie unsere Vereinskollegen Maurice und Marie zeigten starke Einzelleistungen. Bezogen auf die anderen Nationen waren da bis auf Sivy aus Tschechien und Stefan Fels aus der Schweiz leider kaum Teams, die vorne mitfahren konnten. Umso wichtiger, dass auch wir immer wieder zu deren Regatten fahren, damit man voneinander lernen kann, um gemeinsam das Niveau anzuheben.

Insgesamt war die Europameisterschaft ein großartiges Event mit fast täglichen Verlosungen, wo es unter anderem zwei Vorsegel und ein Spinnacker von VM Sails zu gewinnen gab. Auch um unser kulinarisches Wohl wurde ausreichend gesorgt und dafür möchten wir uns beim Regattaverein Brunnen und besonders bei der Schweizer Klassenvereinigung bedanken. Ich glaube wir alle freuen uns schon auf die Europameisterschaft in 2 Jahren am Balaton in Ungarn und wir werden alles sportliche versuchen, damit das Tripple von Frieder und Julius verhindert werden kann 🙂

Liebe Grüße

Martin & Andi
GER 4490