Folge 2 – Ein menschliches Antlitz der Volkspolizei der DDR

Die nächsten Geschichten werden kürzer, sie haben auch nicht nur mit dem Segeln, sondern auch mit dem Drumherum zu tun.

Also dieses Wochenende in Güstrow im Dezember 1985 hatte es in sich.

Am Sonntag wollte dann jeder in seine Richtung aufbrechen. Burkhard Andersch der Klassenhäuptling Ost war als erster nach dem Frühstück in Richtung Berlin losgefahren, die Hamburger und Münsteraner wollten noch ein wenig in Güstrow schlendern und nach dem Nachmittagskaffee aufbrechen. Die Wetterlage war eigentlich Dezembertypisch – grau verhangen nasskalt, nachts Frost, am Tage Plusgrade, eigentlich war das Wetter damals so wie heute, wenngleich wir damals doch irgendwann noch immer noch sehr kalte Tage im Winter hatten und sogar noch Eissegeln konnten. A.R. Und Eissegeln macht richtig Spaß!

Programm wurde abgespult, dann während des Kaffeetrinkens fing es an zu regnen und zu frieren. Die Straßen waren eisglatt und man sperrte alle Fernverkehrsstraßen. Frank und die Hamburger Truppe sagte: Wir versuchen es, mein Auto müsste das können.

Frank Soltau fuhr damals eine Audi 200 Turbo Quatro mit damals vielen Extras so auch Differentialsperre und anderes Pipapo. Er kam dann bis in das Dorf Bülow Burg auf der F104 5km von Güstrow entfernt, heute B104 in Richtung Schwerin. Dort wurde er von den Volkspolizisten angehalten und die Weiterfahrt verwehrt. Ja, Frank wäre nicht Frank, wenn er die Volkspolizisten nicht hätte überzeugen wollen, dass sein Auto den Bedingungen gewachsen war. Also erläuterte er ihnen die technischen Raffinessen des Autos, sie waren sichtlich interessiert, bis hin zu dem Angebot, dass er sie gerne Probefahren lassen wolle, um sich von den technischen Fertigkeiten dieses Autos zu überzeugen. Das lehnten sie aber ab, mussten sie wohl, im Hintern und den Fingern hat es sie wohl gejuckt es zu probieren.

Und Wunder oh Wunder sie ließen ihn fahren. Und er kam auch gut in Hamburg an.

Mit Manuel und seinem Golf I war das etwas anderes. Er hatte nur ein Visum bis Sonntag und die 25 DM „Eintritt“ wären dann ja auch einmal noch zu blechen gewesen.

Ich gehörte zu den wenigen, die ein Telefon hatten (über Firmenerfordernis hatte ich eins bekommen). Mit Selbigem versuchten wir dann alle Register zu ziehen und riefen die örtliche Polizei an, die Verkehrspolizei, die Polizei in Schwerin und und und. Es war wie heute, keiner wollte die Verantwortung übernehmen. Letztlich wurde mir von irgendeinem der Angerufenen Behörden irgendwie die Nummer der Grenzbehörde in Gudow genannt. Die Grenzer waren erstmal etwas perplex, wie ich denn wohl eine fast Geheimnummer bekommen hatte. Vielleicht haben sie auch gedacht, wer weiß, wer das ist. Jedenfalls notierten sie sich den Fall, fanden es vernünftig, dass Manuel die Fahrt bei den Wetterbedingungen nicht angetreten hatte. Er würde auch vom Umtausch befreit und sein Visum verlängert. Manuel fuhr also am Montag und die Genossen wussten Bescheid, es war alles i.O. Auch Manuel kam dann gut in Münster an. Ganz wichtig, denn in den Folgejahren erwiesen sich die Besuche der Segler aus den alten Bundesländern als wahre Devisenbeschaffungsmacheine für Schalck-Golodkowskis KOKO (Kommerzielle Koordinierung) Maschinerie.

Die Moral von der Geschichte:

Man darf nichts unversucht lassen! Vernunft siegt eben doch manchmal!

Carsten Jansen