Hier geht es nicht um Gänsehautfeeling ausgestoßener Hacke-Hacke-Bei(l)fallsschreie der Piratensegler auf Siegerehrungen oder Events, nein hier geht es um junge Piratensegler vom 1952 gegründeten rund 300 Mitglieder umfassenden Aachener Bootsclub, eingesessener Segelverein auf der in rund 320 m hoch gelegenen idyllischen Rurtalsperre der Nordeifel.
Doch rückgeblendet, Westfalenpreis der Piraten, Biggesee September 2014, die Bigge führt extrem Niedrigwasser. Wir kommen nach Zieldurchgang zum Slip, bauchnabeltief steht ein gaaanz junger Mann (Robin, damals 14) neben seinem Piraten im Wasser, am Heck der Jolle eine Kamera befestigt, wartend auf den Sliptrailer. Vielleicht können wir das Filmmaterial ein wenig auswerten, kommt als Antwort auf meine Neugierde. Ich packe mal eben an, der Pirat der Jungs ist raus. Dann sind wir dran. Wollen ganz nach oben auf den Clubweg. Robin guckt ungläubig, trommelt kurzum einige Freunde zusammen und ab geht der Anstieg über 70, 80 Meter. In typischer Piratenmanier hilft hier jeder jedem! Jah! Danke! Dafür gibt`s unseren verbliebenen Rest Bordproviant, eine Runde Gummibärchen. Robin und Henrik werden nach drei Wettfahrten 6. Tobias und Nick 2. …..OK, wir sind auf 14……..
Zwei Brüder, Tobias Call, Jahrgang 1998, und Robin Call, Jahrgang 2000, beeindrucken mit ihren fast gleichaltrigen Vorschotern Nick Houben und Henrik Junge nicht nur die Piratenszene. Bereits mit 5-6 Jahren im Opti (Tobias: „Meine Oma hat uns das eingebrockt und auch beigebracht.“), auf glasklaren See, Deutschland`s zweitgrößter Talsperre, ein riesiges mehrstufiges Trinkwasserreservoir.
Tobias/Nick schnuppern 2012 erste Pirateneindrücke und segeln gleich die IDJM auf der Schlei. Robin, mit 13 Jahren, und Henrik kommen 2013 in die Knickspantjolle, qualifizieren sich für die IDJM in Ribnitz-Damgarten. Im Elternhaus, selbst Freizeitsegler, bereitet das Mutter Petra zunächst noch einige Kopfschmerzen. Für Regatten sind einige Entfernungen zu überbrücken, Segler geraten durchaus in Feierlaune. Klar, die Jungs begleiten – aufkommende Zweifel lösen sich schnell in Luft auf. Dazu tragen sicherlich auch die Junioren und erwachsenen Piraten in gemeinschaftlichen Rennen bei, die die Nachwuchssegler von Anfang an unter ihre Fittiche nehmen. Es ist der Start zweier rasant wachsender Erfolgsgeschichten im Zeichen des Hackebeils. Jugendzeltlager, wiederholte Piratentrainings u. a. am Gardasee mit DSV-Trainer Christian Swatosch, viele Regatten nicht nur in NRW und auf dem Heimrevier, im Jahr mehrere tausend km Fahrtstrecke, oftmals mit elterlicher Unterstützung. Tobias/Nick bewerben sich erfolgreich um die Vergabe des von der KV zur Verfügung gestellten nagelneuen Jugendpiraten, bekommen im Februar 2014 die GER 4453, gehen weit vor Saisonbeginn zum Testen aufs Wasser. Sowohl auf dem Heimrevier 2015, als auch 2016 und 2017, schaffen die beiden den lupenreinen Hattrick, gewinnen dreimal in Folge die IDJM im Piraten. Robin/Henrik werden 2017 Dritte der IDJM in Travemünde. Landesjugendmeister, Teilnahme an Regatten zum Meister der Meister in NRW, das lässt sich übergreifend fast beliebig fortsetzen. Robin hat in besonderer Erinnerung 2016 den Erfolg im Meistercup NRW, und damit verbunden einen gewonnenen Segeltörn entlang Kroatiens Küste. Beide Teams schließen die Jugendrangliste 2017 als führende Mannschaften ab. Im Gesamtklassement aller Piratensegler überwintern sie in den Top 20. Die 2018er Saison wird dann endgültig zum Call-Festival. Zunächst bringen Robin/Henrik den internationalen deutschen Jugendmeistertitel aus Steinhude mit, zwei Wochen später beeindrucken Tobias/Nick mit ihrem ersten Junioren-Euro-Titel am Dümmer. So nebenbei, im Windschatten, kommen hier Bruder Robin und Henrik als Dritte aufs Treppchen, die beiden übernehmen dann auch Platz 1 der Jugendrangliste. Außerdem geht´s im Gesamtklassement aller Piraten weiter in die Top 10, Platz 7 für Tobias, Platz 10 für Robin.
Sofern Ausbildung und Studium das zulassen konnten, haben beide Teams auch bei den etablierten Erwachsenen 2019 ein gewichtiges Wort mitgesprochen, das ein oder andere Silber entführt. Der Jugendmeistertitel konnte in Prenzlau/Uckersee (Brandenburg) ebenfalls verteidigt werden. Und falls an Pinne und Fockschot mal ein Teil der Stammcrew verhindert ist, gibt´s im ABC gleich mehrere Piratentalente. Die Jugend – und Juniorengruppe im ABC umfasst konstant 25-30 Optimisten, die sich mit 3 weiteren Vereinen zur Trainingsgemeinschaft zusammengefunden haben, und 15-20 Piratensegler, die vom Aachener Boots Club mit 6 Clubschiffen, Zuschüssen zu Startgeldern und Fahrtkosten und viel persönlichem Einsatz der erfahrenen Segler unterstützt werden. Man kann in der Eifel durchaus von einer feinen, zwanglosen Kaderschmiede sprechen. Tobias: „Wir geben das uns vermittelte Wissen an den Nachwuchs in Trainings- und Segellagern weiter.“ Und irgendwie besteht am Rursee akute Ansteckungsgefahr, der benachbarte SC Jülich ist auch mit 4 Booten im Piratenmodus. Zum Saisonende zieht die Truppe dann tatsächlich auch mal zum Feiern los, natürlich Mitte Oktober zum legendären Aaseepokal in Münster, wo nicht nur viele begonnene Freundschaften gepflegt werden sondern auch letzte fehlende Ranglistenpunkte eingefahren werden können. Und wer in der Saison erfolgreich ist, darf sich über die Einladung zu öffentlichen Ehren in seiner Heimatstadt Aachen freuen.
(Auszug aus Segler-Zeitung 07/2019, feat. GER 3679 Eva + Uwe)