Ich wurde von „Benny“ Schnepf gebeten etwas über die Piraten zu schreiben (Anekdoten, gemachte Sprüche, Erlebnisse usw.), um die Zeit bis zur hoffentlich bald ersten Regatta im Jahr 2020 zu vertreiben…hoffentlich geht mir nicht der Stoff aus, hoffentlich bleibe ich gesund oder habe nur einen schwachen Verlauf. Und hoffentlich trifft das auch auf euch zu! Hoffentlich bleibt die Piratengemeinde zusammen, hoffentlich geht sie gestärkt aus dieser Pandemie hervor. Wenn die Menschen, also wir, Lehren ziehen aus dieser Krise, dürfte es ja nicht so weitergehen wie bisher, aber das ist ja was für die Philosophen. Denn bisher lehrt der Umgang mit der Geschichte, soviel haben wir ja dann doch nicht gelernt, oder wollen es nicht. Man kann ja mit maximal guten Genen und viel Glück bis zum Ururenkel schauen, also ran an den Speck, man lebt nur einmal….sorry ich sollte ja über was anderes schreiben.
Wie kam es vor der Wende zu Ost – West- oder West – Ostpiratentreffen?
Ich weiß nicht ob anderenorts evtl. auch Piratenkontakte vor der Wende entstanden sind und gepflegt wurden. Wenn ja, wäre es schön wenn diese unser Piratengeschichtsbuch auch weiter füllen könnten.
Einiges zu dem was ich jetzt schreibe, steht in verkürzter Forme in der Jubiläumsschrift anlässlich 75 Jahre Pirat von Jochen Bredt. Jetzt eine etwas umfänglichere Beschreibung um evtl. folgende Anekdoten besser verstehen zu können.
Also ich – Carsten Jansen, Piratensegler aus Güstrow in Mecklenburg – Vorpommern bin im Jahr 1950 in Güstrow in der DDR geboren worden. Mein Vater Wilhelm Jansen kommt aus Neuss am Rhein meine Mutter Elin Jansen geb. Olsen aus Horbelev/Falster Dänemark. Mein Vater zog nach dem ersten Weltkrieg mit seinen Eltern nach Rostock, da mein Großvater an Asthma litt und die Ostseeluft das Leben erträglicher machen sollte. Er war eine rheinische Frohnatur und wurde tatsächlich als selbständiger Stukkateurmeister dank der Ostseeluft stolze 84 Jahre alt. Mein Vater hatte in Rostock zwar Kontakte zum Segeln, aber er jagte lieber der Pille hinterher, er war Fußballer. So lernte er Bankkaufmann bei der Commerzbank und spielte aktiv bei Rostock 1899 e.V., später war er dort Jugendwart. Es gab vor dem 2.Weltkrieg einen regen Sportleraustausch zwischen Dänemark und Deutschland (Zwischen Rostock – Gedser lagen damals auch nur zweieinhalb Stunden Seereise). Bei diesen Sportaustauschen lernte mein Vater seine spätere Frau Elin aus Horbelev, die dort beim Horbelev Bold Club Handball spielte, kennen und lieben. Sie heirateten 1940, nicht ahnend, dass der furchtbare Krieg noch einen halbes Jahrzehnt anhalten sollte und auch mein Vater musste in den Krieg ziehen und kam mit einem steifen Bein nach Hause zurück. Er pflegte immer zu sagen: „Glück gehabt, hätte auch der Kopf sein können“.
Die Geschichte teilte dann Deutschland. Die Hoffnung einer Einigung war wohl viele Jahre vorhanden und wurde dann mit dem 13. August 1961 jäh gestoppt. Meine Mutter traf es besonders hart, sie war von dem Zeitpunkt an 17 Jahre in der DDR eingesperrt und konnte erst 1978 erstmals wieder ihre Heimat, die ja eigentlich vor der Haustür lag, besuchen. Die Commerzbank hatte meinem Vater vor dem Krieg die Leitung der Güstrower Filiale und dort machte er nach dem Krieg als Leiter der Sparkasse weiter, denn die Commerzbank gab in der SBZ nicht mehr. Er hatte mit dem Fußball notgedrungen aufgehört, und fand über Freunde zum Inselsee Güstrow und den Weg ins Ehrenamt beim Segelverein. Den er dann ab 1959 für 24 Jahre leiten sollte. Als meine Mutter Rentner wurde (Frauen konnten in der DDR mit 60 Jahren in Rente gehen, sie war Jahrgang 1918), mein Vater (Männer konnten in der DDR mit 65 Jahren in Rente gehen, er war Jahrgang 1907) war es ja schon einige Jahre eher, führte der erste Weg nach Dänemark und hier beginnt die Geschichte eigentlich erst.
In der dortigen Familie gab es auch Segler und so gelangte unsere Adresse über Umwege nach Österreich und dort irgendwie bei einer Regatta zu Manuel Stiff aus Münster. Das muss so um 1981 gewesen sein.
Der schrieb dann einen Brief an meinen Vater, den mein Vater mir mit den Worten gab: „Das scheint ein jüngerer Mensch zu sein, beantworte du bitte den Brief“. Was ich tat und es stimmte, denn Manuel war Jahrgang 1960 und studierte Jura in Münster, Berlin, Würzburg… So hatten wir einen regen Briefaustausch auf der Basis all dessen was uns so interessierte. Die Betrachtung fand aus verschiedenen Blickwinkeln statt, freiheitlich und weniger freiheitlich aber doch in großer Übereinstimmung (ob die Stasi mitgelesen hat ist nicht belegt).
Ein Thema war ein ganz Besonderes, nämlich das des Piratensegelns. So schlug Manuel nach ca. zwei Jahren des Briefwechsels vor, uns zu besuchen. Umgekehrt war ja bekanntermaßen schlecht möglich. Für Manuel sicher immer ein Kraftakt, denn es waren ja 25 DM Eintrittsgeld proTag fällig, für einen Studenten sicherlich kein Pappenstiel. Gesagt getan, nach einem Besuch folgten weitere. Wir segelten auf dem Inselsee, Manuel nahm an Regatten teil. Er segelte unter dem Pseudonym Jürgen Suhr und segelte für die BSG Lokomotive Güstrow Sektion Segeln, deren Vorsitzender ich inzwischen geworden war. Pläne zur Staatsmeisterschaft nach Ungarn zu fahren, nahmen konkrete Gestalt an. Manuel würde uns ein Westrigg mitbringen usw. Dieser Plan wurde im Sommer 1985 umgesetzt und so trafen wir uns im August in Siofok am Balaton. Es waren so ca. 80 Piraten am Start, wir mit Westrigg auf unseren Eigenneubau Pirat 2207 (Yachtregister DDR), was einige Umbauten erforderlich machte. Wir hatten bei den Schwachwinden auf dem Balaton keine Chance, landeten irgendwo im Mittelfeld, was aber nicht das Entscheidende war. Ich glaube Adam Szentpeteri und sein Schoter wurden in überzeugender Manier Gesamtsieger. Wir konnten nur bei Starkwind mithalten, den wir leider einmal hatten.
Der eigentliche Anlass war, die Piratenführung West kennenzulernen. Während der Regattareihe passierte das dann auch. Wir lernten Frank Soltau, Helmut Loos und Jörg Breckwoldt und viele viele andere kennen und hatten eine tolle unvergessene Zeit mit Gleichgesinntenund das hinter dem „Eisernen Vorhang“. Es entstanden Piratenfreundschaften, die bis heute halten. So wurde dann im Sommer in Ungarn vereinbart, ein Treffen der Piratenführung Ost und West in Güstrow abzuhalten, was wir auch machten. Das Treffen fand im Dezember in unserer Wohnung in Güstrow statt. Mit dabei waren Frank Soltau (Vorsitzender der Deutschen Piratenklassenvereinigung), Helmut Loos (Chefvermesser West), Manuel Stiff (aktiver Piratensegler und Mittler), Burkhard Andersch (Klassenobmann der Piraten Ost), Wolfgang Hoehne (Piratenvermesser Ost), Norbert Steinbrink (Tischler und Bootsbauer), Manfred Berens (Bootsbauer), Carsten Jansen (Piratensegler und Mittler). Dazu kamen dann noch einige Ehefrauen, die aber ihre eigene Diskussionsrunde aufmachten, bzw. die Versorgung übernahmen.
Apropos Versorgung, wir hatten uns natürlich ins Zeug gelegt und einiges aufgetischt, was nicht jeden Tag bei uns greifbar war. So ging Frank dann in die Küche zum kalten Büffet und man hörte ihn aus der Küche rufen: „Die haben hier alles! Das stimmt gar nicht, was man uns so erzählt“. Das Highlight war sicherlich eine Fischkiste mit Heilbutt. Da ich in einem Großbetrieb arbeitete und den Küchenchef gut kannte hatte ich ihn gebeten mir was „Gutes“ zu organisieren. Das tat er dann auch und u.a. war eine Kiste mit Heilbutt dabei, ca. 5 kg, für die ich schlappe zehn Ostmark bezahlt hatte. Nach der Wende wurde mit erst bewusst welchen Wert diese Kiste in der westlichen Welt hatte. Wir hatte ein tolles Wochenende, vieles wurde ausgetauscht. Eines der Ziele war den Sportleraustausch, wie auch immer zu forcieren. Ein weiteres war das Auseinanderdriften der Klassenvorschriften zu vermeiden bzw. wieder anzunähern. Beides schwierig, aber wir wollten es trotz aller politischen Widrigkeiten im dem engen uns zur Verfügung stehenden Rahmen angehen.
Ein ganz wichtiger Fakt, vielleicht der wichtigste – wir verstanden uns, die Chemie stimmte!!!
Das war dann die Basis für viele weitere Besuche und Erlebnisse. Angst hatte keiner, denn wir taten ja nach unseren Empfindungen nicht Böses.