Als wir uns am Donnerstagabend aus Österreich in Richtung Lipno-Stausee aufmachten, ahnten wir noch nicht, dass uns eine Woche mit schönem Wind, Regen und wunderlicher Situationen erwarten würde. Europameisterschaft der Piratenklasse das klingt nach großer Bühne, nach glänzenden Segeln und sportlicher Eleganz. Die Realität war allerdings Betonrampen, Matschwiesen, Regenjacken-Roulette und trotzdem eine der schönsten Regatten, die wir je erlebt haben.

Am Freitag startete der ganz normale Wahnsinn; Vermessung, Check-in und letzte Bootsarbeiten, alles lief wie am Schnürchen, und noch zeigte sich der tschechische Sommer von seiner charmanten Seite. Die Boote glänzen, der See schimmert, und das Lagerleben beginnt sich zu entfalten. Besonders charmant war der Caterer, der nicht nur Deutsch sprach, sondern gefühlt rund um die Uhr im Einsatz war, um hungrige Piratenbäuche zu füllen.

Der erste Härtetest mit dem Slippten ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Zwei Optionen standen zur Auswahl. Die lange holprige Betonrampe für die Hartgesottenen oder der weiche, schlammige Strand für die Abenteuerlustigen. Beide Varianten verlangten Fingerspitzengefühl, Seemannschaft und vor allem Teamgeist. Ob barfuß im Lehm oder mit Neoschuhen im Wasser, es wurde geschoben, gezogen, gestützt und manchmal einfach gelacht.

Das Practice Race am Samstag zeigte bereits, wohin der Wind weht, nämlich direkt in Richtung Donald und Phyllis, die den Sieg holten. Bei sommerlichen Temperaturen und bestem Segelwetter segelten rund 45 Boote um die Wette, und die Vorfreude auf die kommenden Tage wuchs. Noch waren die Bedingungen angenehm, das Wasser glänzte, und niemand ahnte, dass bald jeder Schotte zwei Outfits mit sich herumtragen würde. Eines fürs Slippen, das andere fürs Segeln. Inklusive komplettem Umziehen auf dem Boot für die meisten.

Dann kam der Sonntag, und mit ihm die erste volle Ladung Segelsport. Vier Wettfahrten bei abnehmendem Nordwestwind zwischen 16 und 6 Knoten. Taktisch anspruchsvoll, physisch fordernd, mental belebend. Meist ging’s über links, in Lee wurde es regelmäßig eng, und an der Luvtonne und am Gate unten herrschte oft das pure Gedränge, bei 70 Piraten kein Wunder. Auch die ersten Frühstarts wurden verteilt und am Ende des Tages waren wir alle trotz der relativ leichten Winde ziemlich kaputt und müde.  Die Stimmung blieb dennoch gut, was sicher auch am abendlichen Beertasting mit Spezialitäten regionaler Brauereien lag. Wer segeln kann, kann auch trinken, in Maßen natürlich.

Am Montag versuchten wir es erneut mit dem Segeln. Ein Rennen konnten wir fast noch durchbringen, was aber dann zurecht abgebrochen werden musste und danach war Schluss mit lustig. Die Bedingungen brachen weg, Regen setzte ein, die Temperaturen sanken, und die Wettfahrtleitung entschied sich nach langem Zögern (bis ca. 17:30 Uhr!) für einen endgültigen Abbruch für den Tag. Selten waren wir so einhellig erleichtert. Das abendliche Highlight war eine Tombola, bei der es immerhin trockene Preise zu gewinnen gab.

Die Konsequenz des wetterbedingten Pausentags war eine sportliche Startzeit am Dienstag um 9:00 Uhr. Für manche zu früh, für den Zeitplan goldrichtig. Vier Wettfahrten wurden durchgezogen bei besten Bedingungen, bevor eine heranrollende Wetterfront mit Regen und starkem Wind das Regattagebiet gegen 15 Uhr in ein graues Tohuwabohu verwandelte. Glücklich waren die, die da bereits warmgeduscht und mit Suppenschüssel im Zelt oder im Camper saßen. Der Abend endete mit einem Musikabend der Extraklasse. Josef Sivy begeisterte mit seiner Band auf tschechisch und die restlichen Nationen hörten gespannt zu. Völkerverständigung nicht nur durchs Segeln, sondern auch durch Musik.

Am Mittwoch wurde es dann ernst. Acht Wettfahrten hatten wir im Gepäck, und mit zwei weiteren konnten wir endlich einen zweiten Streicher aktivieren, entscheidend, um die Ergebnisse nochmal ordentlich durchzuwürfeln. Vor dem letzten Lauf war klar, ein Punkt lagen wir vor Ines und Harpo, die starken Ungarn lagen auch nur hauchdünn vor uns. Der letzte Lauf wurde zur Nervenprobe. Ines und Harpo schob sich auf der letzten Kreuz gefährlich von rechts heran, wir verteidigten und konnten auf dem Vorwinder den minimalen Vorsprung bis ins Ziel retten. Platz drei gesichert, ein Ergebnis worüber wir uns extrem gefreut haben. An Land noch ein kurzer Schock, da bei uns im letzten Lauf plötzlich ein DNC stand, was wir aber noch klären konnten – puhhh.

Doch über allem standen zwei Teams, die konstant auf höchstem Niveau segelten. Donald und Phyllis, die mit fast unheimlicher Präzision von Start bis Ziel dominierten. In fast jedem Rennen nach der Startkreuz in den Top 3, im Ziel meist vorne, Europameister mit Sternchen! Aber auch Stefan und Cora lieferten eine starke Serie ab, segelten ruhig, konzentriert und verdient auf Platz zwei.

Besonders beeindruckend war die Leistung des Wettfahrtleiters, ein wahres Multitalent. Er war Regisseur, Motivator, Kurskünstler und Krisenmanager in einer Person. Ob Kurskorrektur, Startlinienanpassung, AP bei Fehlern des Wettfahrtleiters oder Black Flag bei denen der Segler. Alles geschah zügig, nachvollziehbar und fair. Zudem organisierte er tägliche Skipper-Meetings, fütterte die WhatsApp-Gruppe mit Informationen, trug Geschirr ab und sorgte auch sonst dafür, dass der Laden lief.

Die abschließende Siegerehrung am Mittwochabend fand in einer kleinen Beachbar direkt neben dem Club statt, pünktlich mit der Rückkehr der Sonne. Leider waren viele tschechische und ungarische Teams bereits abgereist, sodass die Party ein kleines, aber feines Finale fand, getragen von den deutschen Crews, den Schweizern und einer Handvoll ungarischer Juniorenteams, die nochmal zeigten, wie gut sie nicht nur segeln, sondern auch feiern können.

Was bleibt? Erinnerungen an eine Regatta, die alles bot außer beständigem Wetter. Die Wetterprognosen trafen selten zu, dafür hatten wir meist mehr Wind als angekündigt. Der Lipno-Stausee zeigte sich launisch, aber fast nie unfair. An Land war’s oft regnerisch, matschig und kühl, aber das wurde durch Teamgeist, guter Laune und eine perfekte Organisation mehr als wettgemacht. Eine EM wie das echte Leben, nicht immer schön, aber unvergesslich. Wir kommen gerne wieder mit zwei Outfits im Gepäck. Mindestens.

Liebe Grüße
Andreas & Martin
GER 13